Was sich so in Berliner Bussen abspielt. Und in einer Busfahrerin.

Unvergesslich vergesslich

Wendenschloss, März 2021

Heute hab ich Schienenersatzverkehr (SEV) für die Straßenbahn. Und heute ist auch der erste Tag, an dem dieser SEV läuft. Das wird spannend. Obwohl solche geplanten Maßnahmen rechtzeitig eingerichtet werden, damit wir mit unseren Bussen überall da durch kommen und halten können, wo sonst Leute ihre Autos parken – Obwohl unsere Verkehrsmeister Tage und Stunden vorher regelmäßig überprüfen, ob auch alles frei ist: Es gibt immer Leute, die Schilder übersehen oder ignorieren, weil: „ich parke ja immer hier“.

Um 4.12 Uhr rolle ich mit meinem Gelenkbus vom Hof in Richtung Wendenschloss und bin schon gespannt, wo man so überall mit einem 18 Meter langen Bus durchkommt. Es werden Falschparker da sein, da bin ich mir sicher. Dazu regnet es in Strömen, das macht die Sache für mich noch interessanter, denn dann ist die Sicht noch schlechter. In ein paar Tagen wird sich dort alles eingegroovt haben und die Strecke frei sein, aber nicht heute, am ersten Tag.

Bis zur Haltestelle, an der meine Strecke beginnt, komme ich noch ohne Probleme. Hier wartet auch schon eine Menschentraube auf mich, die sonst mit der Straßenbahn fährt. „Moin!“ – Hey, das kann ja auch noch wer beim einsteigen sagen, ich freu mich. Ein paar Haltestellen folge ich nur den Gleisen, das ist einfach. Dann kommt die Baustelle und ich muss ins Wohngebiet abbiegen. Noch ein kurzer Blick auf die Linienskizze, wo gehts denn lang? Blinker rechts. Die ersten beiden Blöcke kann ich trotz ein paar Autos noch umfahren. Dann wirds kritisch. Die nächste Straße, in die ich abbiegen muss ist frei, aber ganz vorn auf der Ecke steht doch einer. Ausgerechnet, den Platz brauche ich. In meinem Bus nur Leute, die zur Arbeit wollen. Oh man, die kann ich jetzt nicht im Stich lassen. Mit einmal vor – und zurück rangieren müsste das machbar sein, hier rum zu kommen. Weil es so dunkel ist, frage ich in meinen Bus hinein, ob mich jemand einweisen kann. Ein freundlicher junger Mann macht das für mich, astrein.

Gelenkbusse vorwärts fahren ist meine Spezialität, das mache ich täglich. Rückwärts ist etwas kniffliger, fehlende Übung und da macht der Hänger auch nicht so treue Bewegungen. Puh, ich bin nervös, aber es klappt. Zwei mal rangieren und ich komme um die Ecke, juhu! Weiter geht’s. Jetzt erst funke ich die Leitstelle an und berichte: Straße, Hausnummer, und dass wir da nicht mit dem „Schlenki“ rumkommen. Die verwunderte Nachfrage des Disponenten ist berechtigt: wie ich denn dann schon weiter auf der Strecke gefahren sein kann? Das sieht er nämlich auf seinem Bildschirm. Ich erzähle von meiner Hilfsperson und erst da fällt mir ein, dass ich den lieben Mann gar nicht wieder reingelassen habe. Oh Tine, was hast Du nur getan? Der steht jetzt im Regen, kommt zu spät zur Arbeit und wird bestimmt nie wieder einem Busfahrer helfen!

Mehrere Jahre ist diese Geschichte nun her und ich möchte mich immernoch so gern bei dem Typen entschuldigen.

1 Comment

  1. Kormann

    Wenn lesen jute Laune macht, dann ist das einfach schön.
    Gruß Erik

    Frage/Bitte … ruf mal an.

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