
Mit 14 war ich Beatles-Fan. Naja, eigentlich fand ich nur McCartney gut, weil der Bass gespielt hat. Das wollte ich auch. Schön rumknarzen. Keiner merkt, dass man da ist, aber alle würden merken, wenn man fehlt. Diese Rolle gefällt mir. In unserem Kaff gab’s zwar ’ne Musikschule, aber Bassunterricht nicht – is ja eh wie Gitarre. Nee! Gitarre ist was für Rampensäue, die auf minutenlange Solos stehen. Ich will blubbern, dass man es im Magen spürt.Mit 16 ziehe ich aus in die große Stadt Erfurt und gehe gleich nach dem ersten Schultag in die Musikschule. Auf der Treppe treffe ich einen rauchenden Typ mit Tony-Curtis-Gedenkfrisur und frage ihn, ob man hier Bassgitarre lernen kann. Er mustert mich skeptisch, stellt sich als Wagner vor und nimmt mich gleich mit ins Unterrichtszimmer. Ich solle mir mal einen der dort stehenden Bässe umhängen. Befehl ausgeführt. „Danke, das reicht mir. Du hast den Hals richtig rum gehalten und bist nicht umgefallen! Du kannst bei mir Bass lernen!“ Für den Anfang bekam ich sogar ein Leihinstrument von der Musikschule und ab da übte ich mir die Finger blutig. Das lag auch daran, dass Wagner ein Motivationstalent war. „Die Übung is echt schwer, die schaffste nicht bis nächste Woche.“ Aah, das woll’n wir doch mal seh’n, Du Lackaffe! Noch heute, wenn wir uns mal auf dem jährlichen Musikschulfest treffen, behauptet er, dass ich berühmt werde. Das wird wohl höchstens als Quereinsteiger noch was. Die erste Band, in die ich geraten bin, bestand aus zwei Nirvana-Fans und mir, genannt ‚Beagle Three‘. Meistens haben wir aber nicht geprobt, sondern auf dem Dach des Proberaums gekifft und darüber geträumt wie es wäre wenn wir nach Amsterdam reisen, wegen den ganzen Coffeeshops. Für den Proberaum bezahlen mussten wir nichts, denn wir waren am Freitag immer die letzten und haben sauber gemacht. Eigentlich nicht. Wir haben mit den Staubsaugern getanzt, unsere Haare vor Ventilatoren wehen lassen und so was Wildes.Auftritte von Beagle Three gabs auch. Setlist wurde zwei Minuten vor dem Auftritt festgelegt, ich musste die Gitarre stimmen, denn unser Gitarrist war nur gut im performen, mit Musik und Instrumenten hatte er es nicht so. Das Publikum bestand meist aus circa 180 Leuten, die mit verschränkten Armen dastanden und auf die „richtigen“ Bands warteten, die nach uns kamen – Und unseren zehn Fans, die aber Pogo machten für 50. Ziemlich oft habe ich nach solchen Auftritten die letzte Bahn nachhause verpasst. Das Internat hatte am Wochenende zu und irgendwo her musste ich ja frische Schlüpper bekommen. Ich verbrachte also mehrere Freitagnächte in Erfurt mit einer Bassgitarre, einem Reiserucksack voll Schulkram und Klamotten, bis Samstag früh endlich der nächste Zug kam. Das Erfurter Nachtleben war wegen Minderjährigkeit und mangels Kohle keine Option. Und die Eltern der anderen Bandmitglieder waren nicht ganz so aufgeschlossen gegenüber Vagabunden aus der Provinz wie ihre Söhne. Keiner hat gesagt, ein Musikerkeben würde einfach werden.