
Im Lottoladen am S – Bahnhof Spindlersfeld kennt man mich. Tagsüber haben wir dort mit dem 167er zwei Minuten Aufenthalt, und bis zur nächsten Haltestelle, die man bereits sehen kann, gibt’s noch mal zwei Minuten. Wie geschaffen, um sich einen dringend nötigen Kaffee zu besorgen, wenn nachts um zwei schon der Wecker klingelte. An der Endstelle im Köpenicker Wald ist nämlich keine Kaffee – Ausgabe. Wenn ich einfliege, wird er sogleich zubereitet, wie ich ihn möchte: klein, schwarz, aber im großen Becher, damit während der Fahrt nichts überschwappt. Alle anderen Kunden müssen dann kurz warten, ich muss schließlich weiter, vor der Tür orgelt meine Kutsche im Leerlauf. Das klappt mit den Jungs und Mädels da, ich mag die.Heute habe ich nachmittags den 167er. In Schöneweide steigt jemand zu, der fleißig einkaufen war: zwei große Beutel an den Schultern und einen Träger Mineralwasser. Kaum dass ich abgefahren bin, stöhnt er und ich kann auch erkennen, warum: die Folie ist gerissen. Um ihn herum kullern sechs Flaschen Selters, mit denen er nicht weiß, wohin. Ich frage, wo er aussteigt. Allende – Viertel. Ein Klacks, schnell in Spindlersfeld in den Lottoladen. Nein, heut keinen Kaffee, aber habter mal ne Tüte für mich? Ich erkläre kurz. Na klar, hamse. Beim Aussteigen bedankt sich der Einkäufer herzlich und ich freue mich, dass wenigstens einer mal gut von uns Busfahrern denkt. Da habe ich mich nicht verschätzt. In der Woche darauf bekomme ich einen Anruf von meinem Gruppenleiter. Der Mann bedankte sich schriftlich, oder wie das im BVG – Sprech heißt: „positive Fahrgasteingabe“.Zumindest denke ich das und glaube, gleich sagt mein Gruppenleiter mir was Nettes. Da bin ich schief gewickelt. Er sagt: Die ganze Situation könne sich ja nur zugetragen haben, weil ich gegen die Dienstanweisung verstoßen habe: „Beim Verlassen des Fahrzeuges ist der Motor abzustellen, dieses zu sichern und abzuschließen“. Da brauche ich keine Weiterbildung, das stimmt. Ich versuche es mit Relativierung: „aber überleg mal, der hat sich doch gefreut dass ihm einer hilft, wir müssen doch nicht auf Paragraphen rum reiten!“ Mein Vorgesetzter bleibt eisern. Mir ist schon klar, dass die Bezeichnung „Betriebsaufsicht“ bedeutet, dass die Verantwortlichen uns auf Verstöße hinweisen und bei Uneinsichtigkeit Konsequenzen walten lassen müssen. Aber komm schon! Der Bus war heile, trotz allem pünktlich und ein Mensch war kurz glücklich. Da steht die Firma doch gut da! Ich versuche es anders: „Schreib mir eine Abmahnung. Aber dann möchte ich bitte schwarz auf weiß: weil ich jemandem GEHOLFEN habe“. Nein, das passiert nicht. Er kommt mir entgegen und ich erhalte „eine mündliche Ermahnung in schriftlicher Form“, dieses mündliche Papier kam allerdings bei mir bis heute nicht an.Seitdem bitte ich meine Fahrgäste, sich nicht allzu detailgetreu zu bedanken. Aber ich werde auch in Zukunft niemandem meine Hilfe verweigern, wenn sie mich so wenig kostet./ps. Gewiefte Ermittler erkennen anhand der Liniennummer, wie lange das her ist. Der Gruppenleiter ist längst im Ruhestand. Am besten bewertet ihr eure Vorgesetzten nach euren eigenen Erfahrungen.
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