
Die Auswahlkriterien dieser neuen Dating App klingen vielversprechend. Zwar schwebt trotzdem über allem „ich hätte gerne jemanden“ im Raum und mir ist das eigentlich zu bedürftig. Aber im falsche Namen ausdenken bin ich ganz gut und heiße jetzt Judith. Das klingt so souverän wie ich niemals sein werde, und schreckt bestimmt schonmal ab. Nachdem ich 355 Fragen beantwortet habe, wie pervers ich im Bett bin und welche politischen Fehlentwicklungen ich am wenigsten schlimm finde, wird mir genau eine Person vorgeschlagen, und er heißt Danilo. Ernsthaft? Ich bin hetero in Berlin und das ist alles? EIN Typ und der heißt auch noch SO? Nach 2 Wochen hab ich eine Nachichtenanfrage und öffne die App wieder. Sie ist von Danilo. Hupps, der hat wohl so ausgefallene Sachen angeklickt, dass ich auch das einzige Profil war, das ihm vorgeschlagen wurde. Vielleicht ist „Danilo“ ja auch nur eine gräuliche Tarnung. Dann müsste ich aber schon Tessa heißen, damit das Sinn ergibt. Ich habe frei und wir verabreden uns am Ostkreuz. Judiths Sicherheitsvorkehrungen: Wintermütze, Sonnenbrille, Halstuch, und eine Jacke in rot, denn Danilo habe ich offene Haare und schwarz angekündigt. Gut, dass ich das schon vor Jahren auf die harte Tour lernen musste. Ich erkenne ihn nägelkauend an einer Laterne stehen und weiß sofort, warum er nur Bilder von seinem Gesicht hochgeladen hat. Was für ein Pümpel. Umkehr, das Geld fürs Café versaufe ich lieber am See in der Hängematte mit mir selbst. Vielleicht reichen ja acht große Bier um mir einzugestehen, dass ich eh nur an Steffen denke, auch wenn der vergeben ist. Auf der Rückfahrt überlege ich noch, welche fadenscheinige Entschuldigung ich ihm auftische, lösche die App aber gleich ganz.
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