Berlin, 2009

Als ich vom Tochterunternehmen zur BVG wechselte, war das faktisch kein großer Unterschied: gleiches Gehalt, die selben Busse. Andere Linien durfte ich dann fahren, den 100er zum Beispiel. Und ich bekam neue Klamotten: diese Uniform, die in Berlin vermutlich jeder kennt. Wir Fahrer vom Tochterunternehmen waren die „Rotjacken“, hatten in manchen Kantinen alberner Weise separate Tische und standen beim Quatschen auf dem Hof auch meistens für uns. Ein bisschen zweite-Klasse-Gefühl war das schon. Nun endlich hatte ich meine blaue Jacke, mit Kronen – Teddy auf dem Ärmel und trug sie anfangs mit einer gewissen Euphorie. Nicht, dass ich einen Fetisch für die Buchstaben B, V und G hätte, sondern: Ab jetzt grüßt mich jeder Bus – und Bimmelkutscher. Ja, sogar die „Tunnelrutscher“ wie die U-Bahn – Fahrer von der „Oberfläche“ liebevoll genannt werden.
Laufe ich um 2.41 Uhr zwischen zwei Haltestellen, hält der Nachtwagen direkt vor meiner Nase. Ohne dass ich danach gefragt hätte. Sogar Kollegen mit Auto nehmen mich des nachtens mit zum Hof. Na klar, Dienstkutte! Wir gehören alle zusammen. Es ist, als würde plötzlich halb Berlin mich kennen, dabei bin ich doch nur die kleine Tine aus Leinefelde.

Dass man in dieser Garderobe nach einer Auskunft gefragt wird, ist vorprogrammiert und stört mich überhaupt nicht. Auf dem Weg zur Arbeit weiß ich nicht, welche Störungen es gerade vor Ort gibt – erst recht nicht bei der S-Bahn – das erklärte ich bestimmt schon tausenden Menschen. Oft stecke ich den Ärger darüber trotzdem ein, Jacke sei dank. Im Sommer trage ich Bluse und Weste, da werde ich beim Spazieren gehen in der Pause von Cafébesuchern schon mal für die Kellnerin gehalten. „Noch ’ne Cola willste? Ik hab nur Fahrscheine im Angebot!“ sage ich dann und zeige auf mein kleines gelbes Quadrat.

Was ich allerdings nie ganz verstehen werde, ist die magische Wirkung dieser Jacke (oder aller anderen Kleidungsstücke mit den drei Buchstaben) auf Jugendliche. In einem leeren S-Bahn – Waggon werden Inhaber einer Hampelrap – Bluetoothbox und ihre Gesinnungsgenossen Dich erkennen. Und sich trotz freier Platzwahl zielgenau neben Dich pflanzen. Fahre ich privat S – Bahn, passiert mir das nie. Fahre ich mit dem Rad, wird die Jacke selbst im Suff erkannt und trotz 30 Kilometern Bürgersteig auf den Radweg gelaufen: „Eyyy, fährste uns nach hause?“ Irgend ein Magnet muss da in der Jacke sein. Ein bisschen angeben und provozieren ohne Risiko? Nimm Dir eine BVG Uniform! War der Auftritt der unbehaarten Sprösslinge halbwegs originell, applaudiere ich sogar in Zeitlupe.

Wird allerdings das Lied „Fick die BVG“ angestimmt, kann ich auswendig mitsingen. Da werden die dann stutzig. „Ja wattenwattenwatten? Haick allet von euch jelernt!“