Schöneweide

Gestern war Fußballtraining, deswegen bin ich heut ganz schön platt. An der Haltestelle Pusch/Else weckt mich unsanft ein Fußtrampeln aus meiner Lethargie. Ein kahlrasierter Bierbauchträger brüllt mich an: „D’YA GO TO SCONE-WEED?“ Uff. Mein Kopf muss kurz ackern. Ich rate: „Schöneweide?“ Darauf brüllt er ein zweites Mal: „YEAH, SCONE-WEED!“ Er lässt sein Bein in der Tür stehen und winkt in eine Richtung,  in der ich niemanden sehe. Da kommen wohl noch ein paar Kumpane. Ich überlege kurz, aufzustehen und mein Bein auf die andere Seite der Tür zu stellen. Aus Solidarität und um den Schreihals ein bisschen aus dem Konzept zu bringen. Aber dann sehe ich seine Truppe. Nee, die wären einer körperlichen Konfrontation wohl eher nicht abgeneigt, da bleibe ich lieber in meinem Kabüffchen. Der Bus füllt sich mit Biergeruch und very drunk english. Lärmpegel: der Typ mal 25. Na, das kann ja was werden bis Scone-Weed. Warum nehmen die nicht einfach am Treptower Park die S-Bahn und lassen mich mit meinem Muskelkater dahinsiechen?

Die Antwort bekomme ich am Dammweg. Da steigt eine weitere Traube schwarzer Unterhemden ein. Manche bedecken nur die halbe Wampe und ihre Gesichter sind genauso rot wie die meiner Insassen, sprechen aber Deutsch. Und so lerne ich ein neues Lied: „BUUUUSFAHRER FAHR UNS IN DEN TOOOD!“  mehr Text gibts nicht, wird nur in unterschiedlichen Melodien vorgetragen. Takt wird mit der Faust an der Seitenscheibe gegeben. Hoffentlich hält die. Baumschulenstraße fällt einem ein, worauf ich schon seit Beginn des Liedes warte: „Wir ham ja ’ne BusfahrerIN!“ Endlich erinnert mich mal wieder jemand daran, dass ich nicht im stehen pissen kann. Apropos: Zur Unterstreichung dieses entscheidenden Unterschiedes reichen den Herrschaften Worte allein nicht. Versammlung im Gelenk meines Busses, Lurch rausgekramt, erstmal ’ne Stange Bier abflöten. Ein paar Mädels setzen sich zu mir nach vorne. Ob die glauben, ich könnte sie beschützen? Ich glaube das nicht, ich könnte mit meinen müden Beinen nicht mal wegrennen. Nur den kleinen roten Notfallkopf drücken, den ich noch nie benutzt habe. Dafür ist es mir aber noch zu früh, wenn ich jetzt die Bullen rufe und stehen bleibe, eskaliert das hier auf jeden Fall. Aber ich taste schonmal, um im Ernstfall zu wissen, wo genau der Knopf ist. In Schöneweide steigt die Meute aus, dort warten noch mehr schwere Jungs.

Komisch. Fußballspiele sind heut nicht, nicht mal irgendein Testspiel, aber was mit Fußball haben die am Hut, so viel habe ich von ihrem breitgematschten Englisch dann doch verstanden. Vielleicht eine illegale Klopperei mit Schöneweider Kulisse? Solche Hobbies solls ja geben. Im Inneren meines Busses ist es nun mucksmäuschenstill und doch meine ich, bei meinem verbliebenen Fahrgästen einen heimlichen Seufzer zu hören, als die Türen sich schließen. Ich jedenfalls bin froh, dass die jetzt woanders weiter brüllen und bestelle mir bei der Leitstelle einen trockenen Wechselwagen.